Wölfersheim verliert einen politischen Bürgermeister
Zur Wiederwahl Rouven Kötters Anfang 2014 legten die Wölfersheimer GRÜNEN eine kritische Bilanz seiner ersten Amtszeit vor. Damit sollte den in Wölfersheim üblichen Jubelorgien aus Rathaus und SPD eine nüchterne Betrachtung gegenüber gestellt werden. Unterm Strich riefen die GRÜNEN zu seiner Wiederwahl auf, weil er bewiesen hatte, dass er „Bürgermeister kann“. In einer kurzen Passage ihres Flyers zur Wahl warfen die GRÜNEN damals aber auch einen Blick in die Zukunft: „Und aus dem längst auffälligen Auftreten von Fachbereichsleiter Eike See (…) lässt sich ableiten, dass hier der mögliche Nachfolger Kötters aufgebaut werden soll, wenn der nächste Karrieresprung ruft.“
Der Abgang unseres jungen Bürgermeisters war also zu erwarten. Das Ziel des Abgangs, der Beigeordnetenposten im Regionalverband, sagt allerdings viel aus über das Politikverständnis von Rouven Kötter: Das politische Wagnis ist nicht seins. So war es bei seiner ersten Bürgermeisterwahl als Assistent Arnolds im Wölfersheimer Rathaus. So war es, als er als Fraktionsvorsitzender der SPD im Regionalverband, zu dem er nun wechselt, die Koalition mit den GRÜNEN aufkündigte, um zusammen mit der CDU bequem und sicher alle Begehrlichkeiten beider Parteien durchsetzen und sich die Posten aufteilen zu können. So ist es mit dem REWE-Logistikzentrum, wo längst – wieder im Regionalverband zusammen mit der CDU – abgesprochen ist, dass man über Abweichungsverfahren die Regionalplanung außer Kraft setzt, um ungehemmt mehr Beton in die Landschaft gießen zu können. Kötter sucht den sicheren Weg – auch um jedweden Hauch von Niederlage von seiner Person fern zu halten.
So sehr diese übliche, machtsichernde Auskungelpolitik in den Hinterzimmern – für die niemand besser steht als die SPD – auch für Rouven Kötter gilt, so sehr ist er doch ein engagierter, tatkräftiger und auch ein politischer Bürgermeister. Kötter ist das beste Pferd im Stall der Wetterauer SPD, er ist ein herausragender Redner und er zeigt auf verschiedenen Politikfeldern politische Haltung. Das ist so beim Kampf gegen rechten Extremismus und Populismus, das ist so in der Frage, wie man mit den Flüchtlingen vor Ort vorausschauend und anständig umgeht und das zeigt sich an seinem Engagement für Europa, den Partnerschaften mit einer slowakischen und einer französischen Gemeinde. Hervorzuheben sind auch seine klare familienpolitische Orientierung und sein letztlich klares Eintreten für die Reaktivierung der Bahnstrecke.
Natürlich ist seine Bilanz als Bürgermeister nicht so rundum glänzend, wie das Rathaus und SPD (was in Wölfersheim dasselbe ist) und leider auch die Presse suggerieren. Es gab und gibt gescheiterte Projekte, teure Projekte und vernachlässigte Politikfelder. Als Beispiele seien hier die Turmhügelburg am See, der Laden der Behindertenhilfe in der Wölfersheimer Mitte, der überdimensionierte Ausbau der Weingartenstraße im hinteren Bereich oder die im Vergleich sehr teure Singbergsporthalle genannt. Naturschutz wird in Wölfersheim zwar in Form der Förderung von Initiativen unterstützt, hat aber bei der Pflege gemeindeeigener Anlagen keine Priorität. Wie bei seinem Ziehvater Arnold hat in jedem Fall die Ökonomie klaren Vorrang. Erst wenn ökologisches Handeln sich auch ökonomisch und/oder politisch rentiert, wird der ökologische Weg mit entsprechender politischer Vermarktung propagiert. Dieser Logik folgt der Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort. Der schlechte Zustand des Wölfersheimer Sees wurde von Kötter wie auch der SPD lange Zeit negiert.
Der Vorrang wirtschaftlicher Interessen spiegelt sich auch im Vorhaben des REWE-Logistikzentrums und in der weiterhin ungebremsten Siedlungsentwicklung der Gemeinde. Das Vorgehen beim REWE-Logistikzentrum, das gegenüber der Gemeindevertretung im Handstreich durchgezogen wurde, unterstreicht im Übrigen die politische DNA Kötters, die auf konsequente Machtausübung, aber nicht auf umfassende Beteiligung gewählter Institutionen setzt. Auf die Frage, wo und wie die Grenzen des Wachstums in der Wetterau und im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet definiert werden sollen, blieb der künftige Regionalverbandsbeigeordnete bisher jede Antwort außer „Weiterwachsen“ schuldig.
Jetzt also Eike See als Bürgermeisterkandidat für Wölfersheim – von der SPD vermutlich angepriesen als „der Finanzfachmann, der seit Jahren für stabile Finanzen in Wölfersheim sorgt“. Natürlich ist es seit Jahren auffällig, wie strategisch er Posten (Förderverein der Wölfersheimer Schulen, Bürgerstiftung) besetzt. Und ebenso auffällig ist, wie ihn ebenfalls seit Jahren das Rathaus- sprich: die SPD – in die Bilder rückt, die über Gemeindespiegel, Homepage, App und Facebook unters (Wahl)Volk gebracht werden. Im Gegensatz zu Kötter ist von Eike See allerdings keine einzige politische Äußerung bekannt – gerade so, als wäre das eher unwichtig. Schon deshalb hat er Mitbewerberinnen und Mitbewerber bei der Bürgermeisterwahl verdient. Allein die Präsenz auf Bildern sollte für den Einzug ins Rathaus nicht genügen.